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Title Der Ranking-Wahn greift um sich
Organization Unit
Authors
  • Margit Osterloh
Language
  • German
Newspaper Title ESNA Bulletin
Number N°042
Page Range 1
Date November 2 - 2009
Zusammenfassung Der Siegeszug der Rankings scheint nicht mehr aufzuhalten. Zusätzlich zu den zahlreichen nationalen Rankings und Ratings, z.B. von CHE oder dem Deutschen Wissenschaftsrat soll nun ein globales Ranking von Universitäten durchgeführt werden. Die EU hat dazu dem CHERPA-Netzwerk, bestehend u.a. aus dem CHE und der Twente-Universität aus den Niederlanden ca. 1,1 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Einige WissenschaftlerInnen beobachten diese Entwicklung mit Sorge. Angesichts der zahlreichen Probleme von Rankings und deren Interpretation haben manche sich für ein temporäres Moratorium ausgesprochen, andere wollen einen „Waffenschein“ für Rankings einführen, um zu verhindern, dass angesichts der vielen Interpretations-Probleme leichtfertig mit Rankings umgegangen wird. Rankings entscheiden heute nicht nur über akademische Karrieren, sondern auch über Forschungsprogramme und Ressourcen von Universitäten und Fakultäten. Warum diese Skepsis gegenüber Rankings? Schliesslich sind heute Rankings allgegenwärtig – von Bücherhits über Fussballclubs bis zu Restaurants. Die Antwort ist, dass jede und jeder eine Restaurant- oder ein Bücherranking selber überprüfen kann, indem er oder sie das Restaurant besuch oder das Buch liest. Diese Nachprüfbarkeit ist bei Wissenschaft nicht gegeben. Die Qualität wissenschaftlicher Ergebnisse ist immer uneindeutig und muss ständig neu diskutiert werden. Dies ist Sache der wissenschaftlichen Peers. Leider irren die oft genug. Es gibt viele Beispiele, dass Ergebnisse von späteren Nobelpreisträgern lange Zeit von den Peers zurückgewiesen wurden und nicht veröffentlicht werden konnten. In einer solchen Situation hilft nur, eine Vielfalt von wissenschaftlichen Ansätzen zu ermöglichen, gleichzeitig nebeneinander existieren zu lassen und mit Ressourcen auszustatten. Rankings versuchen aber immer, eine eindimensionale Ordnung herzustellen, welche Aussenstehenden der Wissenschaft, d.h. Politikern, Journalisten oder Studienanfängern ermöglichen sollen, sich ein eindeutiges Urteil über wissenschaftliche Qualität zu bilden. Sogar innerhalb der wissenschaftlichen Fachgemeinschaft verlassen sich Kollegen zunehmend auf Rankings statt auf ihr eigenes Urteil. Der Grund ist nicht bloss Faulheit, sondern ein sog. Lock-in Effekt: Haben sich einmal Rankings als Verteilschlüssel für Ressourcen etabliert, ist es z.B. sinnvoll nur KollegInnen in die eigene Fakultät zu berufen, die im Fachranking hoch angesiedelt sind, unabhängig vom eigenen Urteil und unabhängig davon, ob interdisziplinäre Forschungssynergien zu erwarten sind. Hinzu kommt, dass Rankings auch den wissenschaftlichen Forschungsprozess negativ beeinflussen. „Publish or perish“ bedeutet, dass bei jungen WissenschaftlerInnen zunehmend die wissenschaftliche Neugier ersetzt wird durch das Bemühen, möglichst viele Papiere in Zeitschriften mit einem hohen Impact-Faktor unterzubringen. Das fördert eine Ausrichtung an modischen Themen, am jeweiligen wissenschaftlichen Mainstream bis hin zur Bedenkenlosigkeit im Umgang mit Datenmaterial, das selten genug Replikationsstudien unterworfen wird, weil sich diese in vielen Fächern nicht publizieren lassen. Was für Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Rankings dürfen nicht länger das eigene Urteil der wissenschaftlichen Kollegen ersetzen. Wenn Rankings benutzt werden, dann immer nur als „informed peer reviews“, d.h. als Information im Rahmen eines inhaltlichen Begutachtungsprozesses, der durch Fachkollegen zu erfolgen hat. Das ist zwar angesichts der vielen Fehlurteile von wissenschaftlichen Peers keine Garantie für Qualität, aber ermöglicht im Unterschied zu Rankings eine mehrdimensionale Betrachtung, die der notwendigen Diversität der Wissenschaft eher entspricht als Rankings, die vorgeben, wissenschaftliche Qualität in eine eindimensionale Ordnung bringen zu können.
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