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Contribution Details

Type Bachelor's Thesis
Scope Discipline-based scholarship
Title Falschbewertung mit Folgen - Ursachen für das Fehlverhalten der Ratingagenturen in der jüngsten Finanzkrise
Organization Unit
Authors
  • Konstantinos Lessis
Supervisors
  • Carmen Tanner
Language
  • German
Institution University of Zurich
Faculty Faculty of Business, Economics and Informatics
Number of Pages 53
Date 2016
Zusammenfassung Die Ratingagenturen spielten in der Entstehung der Finanzkrise 2008 eine zentrale Rolle. Ihre Ratings ermöglichten die Überflutung des Finanzmarkts mit hochriskanten Finanzprodukten. Hohe Renditen und „investment grade“-Ratings machten sie zu attraktiven Investitionsmöglichkeiten. Mit dem Platzen der Immobilienblase stellte sich heraus, dass die strukturierten Produkte erheblich überbewertet waren. Die schwerwiegenden Folgen der Finanzkrise zeigen, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den Ursachen für die Falschbewertungen ist. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wieso die Ratingagenture toxische Produkte mit inflationären Ratings versahen. Ziel der Arbeit ist nicht die Analyse quantitativer Daten, die zu den hohen Ratings führten. Vielmehr werden zwei unterschiedliche Perspektiven zur Ermittlung der Ursachen eingenommen. Im ersten Schritt wird die Fragestellung auf der Ebene der Unternehmen aufgegriffen und im zweiten Schritt auf der Ebene der Individuen. Die Unternehmenssicht wird im Rahmen der Arbeit als Makroperspektive bezeichnet und die Untersuchung aus individueller Sicht als Mikroperspektive. Als Erstes wird das Konzept der Ratingagenturen präsentiert. Geschichte, Funktion und Arbeitsweise zeigen auf, wie sich die Ratingagenturen entwickelten, was sie für eine Position im dynamischen Finanzmarkt einnehmen und wie der Ratingprozess funktioniert. Die Entstehung der Finanzkrise wird beschrieben und die Rolle der Ratingagenturen erläutert. Im Kapitel der Makroperspektive wird der Fokus auf strukturelle und situationsspezifische Faktoren gelegt. Eigenschaften des Ratingsystems und Merkmale der Finanzkrise werden kombiniert und die Ursachen ermittelt. Die Makroperspektive wird anschliessend mit der Mikroperspektive ergänzt, wobei die Ergebnisse der strukturellen und situationsspezifischen Analyse verwendet werden. In der Mikroperspektive wird aufgezeigt, wieso Manager und Analysten die Überbewertung aktiv oder passiv unterstützten. Mithilfe eines Interviews eines ehemaligen Moody’s-Analysten wird ein Bild projiziert, das das Verhalten der beteiligten Individuen aufzeigt. Die Gründe des Fehlverhaltens werden in zwei Klassen eingeteilt. Motive, die bewusst zur Überbewertung führten und psychologische Mechanismen, die das Verhalten der Individuen unbewusst beeinflussten. Abschliessend wird aufgezeigt mit welchen Regulierungen die Ratingagenturen konfrontiert wurden. Die Ursachen für die Überbewertungen sind vielfälltig. Aus der Makroperspektive ist ersichtlich, dass das Ratingystem über Eigenschaften verfügt, die sich negativ auf die Ratingqualität auswirken können. Im Zentrum stehen einflussreiche Interessenkonflikte, die mit dem Zahlungsmodell und den Beratungsdiensten der grossen Ratingagenturen begründet werden. Die oligopolistische Marktstruktur, die fehlende Haftung und der wirkungslose Reputationsmechanismus führten dazu, dass mit der Vergabe inflationärer Ratings keine Kosten erwartet wurden. Zudem glichen die Ratingagenturen ihre Ressourcen nicht der angebotenen Menge strukturierter Produkte an. Des Weiteren wurden Berechnungsmodelle nicht auf externe Entwicklungen abgestimmt und mangelhafte Inputdaten für die Ratingermittlung verwendet. Die Betrachtung der Problematik auf individueller Ebene lässt eine Fallunterscheidung zu. Finanzielle Anreize und attraktive Karriereperspektiven gelten als Motive für eine bewusste Überbewertung. Eine Auswahl psychologischer Mechanismen zeigt auf, dass das Fehlverhalten der Manager und Analysten nicht nur auf bewusste Faktoren zurückzuführen ist. Aus Aussagen ehemaliger Mitarbeiter geht hervor, dass der Konformitätsdruck und die Gehorsamkeit gegenüber Autoritätspersonen eine Rolle in der Überbewertung spielten. Die Beschaffenheit des Ratingprozesses macht den Einfluss von Verlustaversion denkbar. Nicht auszuschliessen ist, dass der II Slippery-Slope-Effekt und das Phänomen der Motivated Blindness dazu führten, dass die Überbewertung nicht als unethisch erkannt und dadurch aktiv oder passiv unterstützt wurden. Ferner zeigt sich, dass das Vorhandensein von Interessenkonflikten die objektive Bewertung äusserst erschwert. Überdies können überoptimistische Annahmen der Manager und Analysten mit der Eigenschaft von Individuen, sich zu überschätzen und die Zukunft überoptimistisch zu sehen, erklärt werden. Strukturelle Schwachstellen des Ratingsystems und situationspezifische Merkmale der Finanzkrise führten in Wechselwirkung mit Motiven und psychologischen Mechanismen dazu, dass hochriskante Finanzprodukte mit inflationären Ratings versehen wurden. Die Frage nach den Ursachen kann ausführlich beantwortet werden. In Bezug auf die Makroperspektive herrscht in der Literatur Einigkeit. Einzig das Argument der Modelle und Inputdaten wird angezweifelt. Weil der Fokus in der Literatur hauptsächlich auf der unternehmerischen Ebene liegt, zeigt sich die Betrachtung auf der individuellen Ebene schwerer als erwartet. Forschung, die sich mit den Ratingagenturen aus der Mikroperspektive befasst, findet relativ gesehen wenig Anklang. Ferner basiert die Auswahl der Motive und der psychologischen Mechanismen unter anderem auch auf subjektive Aussagen, womit die Ergebnisse mit Vorsicht zu betrachten sind. Der Einfluss der psychologischen Mechanismen kann nicht nachgewiesen werden, dennoch demonstrieren Situationen, Strukturen und Aussagen ehemaliger Angestellter gewisse Merkmale, die mit den Mechanismen vereinbar sind.
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